Eingang zum Amtsgericht Regensburg
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Am Regensburger Amtsgericht wurde ein 23-jähriger Mann wegen Vergewaltigung und sechs Fällen des sexuellen Übergriffs verurteilt.

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Regensburger Gericht: Bewährungsstrafe für Vergewaltigung

Am Regensburger Amtsgericht wurde ein 23-jähriger Mann wegen Vergewaltigung und sechs Fällen des sexuellen Übergriffs verurteilt. Das Strafmaß: 22 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Für Frauenberatungsstellen ist das Urteil zu milde.

Die Taten des jungen Mannes wiegen schwer: Im April 2019 hat der jetzt 23-Jährige eine Frau vergewaltigt, in dem er ihr einen Finger eingeführt hat. Bei dieser Tat blieb es aber nicht: Bis 2022 wurde er noch fünfmal übergriffig gegenüber Frauen. Allesamt Sexualstraftaten, die der Mann zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Regensburg gestanden hat. Unter anderem dieses Geständnis führte zu einer Verständigung, die dem Mann eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten einbringt. Der Angeklagte bleibt somit auf Bewährung frei – auch weil er nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde.

Frauenberatungsstelle: Urteil zu milde

In der Mittelbayerischen Zeitung kritisiert Petra Siegrün vom Regensburger Frauennotruf, dass das Urteil eine schwierige Botschaft für Betroffene sei. Denn für sie sei das Strafmaß sehr wichtig. Laut Siegrün sorge ein zu mildes Urteil bei den Frauen für Enttäuschung, Scham, Wut und Selbstzweifeln. Vor allem aber führe es zu einem Vertrauensverlust der Betroffenen in die Rechtsprechung. In der Folge würden Straftaten nicht mehr zur Anzeige gebracht werden, so Siegrün, aus Angst vor einer erneuten Niederlage.

Staatsanwaltschaft: Geständnis und U-Haft berücksichtigt

Die Regensburger Staatsanwaltschaft hat sich auf eine Verständigung mit Gericht und Verteidigung eingelassen, auf der letztlich die Bewährungsstrafe fußt. Sprecher Thomas Rauscher führt dazu mehrere Gründe an: Die schwerwiegendste Tat verübte der Mann 2019. Zu dem Zeitpunkt war der Angeklagte jünger als 21 Jahre und fällt damit unter das Jugendstrafrecht. Die Sanktionen unterscheiden sich zu dem Erwachsenenstrafrecht.

"Beim Jugendstrafrecht dominiert der Erziehungsgedanke, nicht der Bestrafungsgedanke." Thomas Rauscher, Staatsanwaltschaft Regensburg

Auf die Strafzumessung wirkt sich vor allem das Geständnis aus, das den betroffenen Frauen eine Vernehmung erspart habe. Außerdem war der Mann sechs Monate in Untersuchungshaft. Auch dies wird beim Strafmaß angerechnet. Oberstaatsanwalt Rauscher hofft, dass die Zeit im Gefängnis Eindruck hinterlassen habe.

Die Sozialprognose ist positiv, wie auch das Amtsgericht Regensburg erklärt: "Da im Jugendstrafrecht eine Jugendstrafe dann zur Bewährung auszusetzen ist, wenn die Vollstreckung nicht im Hinblick auf die Entwicklung des Angeklagten geboten ist, war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte über eine abgeschlossene Ausbildung und einen festen Arbeitsplatz verfügt."

Strafrechtler: Urteil nicht unverhältnismäßig

Auch Strafrechtsexperten sehen in dem Strafmaß kein mildes Urteil. Im Jugendstrafrecht stehe nicht die Genugtuung der Opfer im Mittelpunkt, kommentiert Henning Ernst Müller von der Universität Regensburg die Strafzumessung. "Auch wenn man bei bloßer Gegenüberstellung von Straftaten wie Vergewaltigung und bloße Bewährungsstrafe im ersten Moment schluckt und sogar an ein Fehlurteil denken mag, zeigt ein etwas differenzierterer Blick, dass dieses Urteil wohl kein Skandal ist."

Michael Kubiciel, Strafrechtsprofessor an der Universität Augsburg, bewertet das Urteil ähnlich. "Das Gesetz ist beim Sexualstrafrecht relativ klar, was die Strafzumessungen angeht." Auch innerhalb der Bundesländer und in den Gerichten sei die Urteilspraxis informell so, dass die Richterinnen und Richter schauen, dass ähnliche Fälle auch ähnlich behandelt werden. In Bayern werde die Urteilspraxis sogar eher streng ausgelegt. Laut Kubiciel sprechen diese Punkte dagegen, dass es sich bei dem Regensburger Urteil um ein unverhältnismäßig mildes Urteil handle.

Bewährungsstrafe unter Auflagen

Kritik übt der Regensburger Strafrechtsprofessor Müller an der Art und Weise, wie es zu solchen Urteilen kommt: die Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten. "Es lässt sich der Bevölkerung viel schwerer vermitteln, dass ein Geständnis im Rahmen einer Absprache am Ende für den Angeklagten eine günstig erscheinende Folge hat. Die Belohnung für ein Geständnis auch bei Straftaten, die ohnehin – wenn auch mit größerem Aufwand – bewiesen werden könnten, erscheint dann im Rückblick zu hoch."

Neben einer Bewährungsstrafe erhielt der Angeklagte die Auflage, auf den Alkoholkonsum zu verzichten. Dazu soll er Trainings absolvieren. Der betroffenen Frau muss er 2.500 Euro zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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